Oktober 2020 – von Hans Högl.
Hier ein erster Versuch, das Wort „Zivilgesellschaft“zu vertiefen – in Hinsicht darauf, weil mit Begriffen wie „Initiative Zivilgesellschaft“, „Bureau der Zivilgesellschaft“ Verwechslungen entstehen.
Das Verständnis von Zivilgesellschaft ist schwierig, weil die Gewaltentrennung nicht durchgehend der Fall ist – wie in westlichen Demokratien z.B. in den USA und Frankreich.
Zur Wortwurzel (Etymologie)
„Zivilgesellschaft“ ist auf Engl. civil society, auf Französisch société civile;
urspr. (lat.) societas = Gemeinschaft, Teilnahme, Verbindung, Genossenschaft, Kameradschaft, Gesellschaft; politisch: Bündnis, Handelsgesellschaft (frz. société) .
civilis (lat.): bürgerlich, leutselig; Vgl. ius civile = bürgerliches Recht, Zivil- oder Privatrecht
civis = Bürger*in, Mitbürger, Einheimischer
civilitas (lat.) Höflichkeit, Leutseligkeit
Das deutsche Wort „Bürger“
Im Mittelhochdeutschen waren „burger“ Leute, die rund um die Burg wohnten. Davon kommen Namen wie: Bürgerschaft (Kluge: Etymologisches Wörterbuch). Vgl. Bürger-Meister, Staats-Bürger. Vgl. im Französischen: „bourgeois“.
Im Französischen bedeutet das Wort „citoyen“ den Staatsbürger, Staatsangehörigen. Ursprünglich war dies der Bewohner einer cité, also Stadt (!), vom lat. civitas.
Später wurde daraus Besitz-Bürger (jene, die ursprünglich auf Basis des Besitzes das Wahlrecht hatten) und davon leitet sich das Wort „bourgeois“ab. Die Bourgeoisie im Sinne herrschender Klasse wurde erst durch die marxistische Theorie eingeführt. Und davon kommt das heutige Verständnis von „bürgerliche Parteien“.
Im Englischen dagegen bedeutet „civil society“ seit dem 18. Jahrhundert Staatsbürger-Gesellschaft, also dem von der staatlichen Administration (Verwaltung) u n a b h ä n g i g e n Bereich, der sich z.B. in berufsständischen Vereinigungen eigene Selbstverwaltungsorgane schafft.
Der Begriff Zivilgesellschaft fand im Deutschen erst durch Schriften von A. Gramsci (1947) Eingang. Bisher unterschied man im Deutschen nicht zwischen den
1. staats-unabhängigenBereichen der Gesellschaft und
2. der besitz – bürgerlichenKlassenherrschaft in der Bedeutung von Marx und Engels.
In der Sprache des nordamerikanischen Liberalismusversteht man unter Zivilgesellschaftdie von der staatlichen Administration unabhängige Gesellschaft der einzelnen Staatsbürger,
im Kommunitarismus hingegen das soziale Netzwerk staatsunabhängiger Gemeinschaften, die durch unterschiedliche kulturelle Traditionen geprägt sind.
Mein Diskussionsbeitrag:
In den USA sind z.B. Staat und Glaubensgemeinschaften (Kirchen, Freikirchen) selbstverständlich und friedlich exakt getrennt. Ähnliches gilt für Parteien, Verbände. Es gibt weder in den USA noch in Frankreich einen Kirchenbeitrag, der staatlicherseits (wie in Deutschland eingehoben wird). Die Kirchen finanzieren sich durch Mitglieder, auch die US-Parteien leben von Spenden.
Das Problem, staatliche Bereiche von der Zivilgesellschaftzu trennen, rührt in Österreich und Deutschland auch davon, dass der Staat vielen Bereichen Förderungen leistet.
So widerstrebt wohl unserem Verständnis, Verbände (wie Kammern, Kirchen, Gewerkschaften) unter dem Begriff „Zivilgesellschaft“ zu fassen – während das z.B. in den USA durchaus so möglich ist.
Zur Zivilgesellschaftin unserem Sinne zählen alle NGOs, ja auch die Feuerwehr, die zahllosen Vereinigungen formaler (Vereine) oder informeller Art (diverse Initiativen ohne Vereinscharakter).
Wir werden wohl Hilfsorganisationen (wie Caritas….) dazu zählen, obschon wir wissen, dass caritative Initiativen vom Staat gefördert werden.